Traditionelles Sächsisches Bergsteigen

Ein paar Hintergrundinformationen zu Spielarten des Sächsischen Kletterns
für Nicht-Sachsen, Nicht-Kletterer und Nicht-kletternde-nicht-Sachsen

Als Geburtsstunde des Sächsischen Bergsteigens (und des free-climbing weltweit) gilt die Besteigenung des Falkenstein am 06.03.1864 durch Turner aus Bad Schandau. Obwohl auch schon andere Felsen (auch in anderen Gebirgen) vorher bestiegen wurden, zählt dieses Datum als Initialzündung, da die Besteiger aus rein sportlichen Interesse kletterten.

Die nun einsetztende Phase der Früherschließung war geprägt vom Drang "irgendwie da hoch zu wollen". Teilweise wurden künstliche Hilfsmittel, wie Steigbäume, Leitern oder Unterstützung durch Seilzug eingesetzt, um den Gipfel zu erreichen. Erst nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, daß eine sportlich einwandfreie Besteigung nur durch einen Verzicht auf künstliche Hilfen möglich ist.

Rudolf Fehrmann und Gefährten vom Club Schwarzer Kamin formulierten schließlich die noch heute gültige Kletterethik. Verkürzt lassen sich die Grundsätze des "freien Kletterns" zusammenfassen mit: "Zur Fortbewegung darf nur der Fels verwendet werden." Ringe, Seile und gelegte Schlingen dienen lediglich der Sicherung und dürfen weder als Griff, noch als Tritt mißbraucht werden.

Ausformuliert erschienen diese Regeln im ersten Kletterführer - dem sog. "Fehrmann" von 1908. Jedoch dauerte es eine Weile, bis sie sich durchsetzten. Der Kletterethik verhalf zum Durchbruch, daß sich Fehrmann beharrlich weigerte, in neueren Auflagen seines "Führer durch die Kletterfelsen im Elbsandsteingebirge" solche Wege und deren Begeher aufzunehmen, die künstliche Hilfsmittel benutzt hatten.

Die Ausrüstung der damaligen Zeit war sehr abenteuerlich. Alles was wir heute als Standard haben war in dieser Epoche nicht vorhanden - es gab weder Klettergurt, noch Kleterschuhe, noch Karabiner und auch keine dynamischen Seile. Geklettert wurde mit Hanfseilen, deren Haltbarkeit unterschiedlich und meist unzureichend war. Diese wurden um Bauch oder Brust gebunden. Gesichert wurde, indem man sich das Seil um Schulter und Hüfte wickelte. An den Füßen hatten die Gründerväter Stiefel mit Nagel- oder Hanfsohle. Der erste Ring im Sandstein war so groß, daß ein muskulöser Oberarm durchpasste. Da der erste Karabiner erst um 1915 erfunden wurde, steckte man an dieser Stelle den Arm durch den Ring, band sich aus, zog das Seil durch den Ring und band sich wieder ein. Der schönste Hinweis aus dem "Fehrmann" von 1908 ist der folgende:

"Seil vor Gebrauch aus seine Brauchbarkeit durch Zugprobe prüfen! Schadhafte Stellen ausschneiden, die Seilstücke zusammenknoten; besser ist die Anschaffung eines neuen Seiles."


Trotz dieser heute unvorstellbaren Bedingungen gelang die Besteigung hoher und bedeutender Felsen, wobei die Anzahl der Kletterunfälle nicht wesentlich größer war, als in der heutigen Zeit. Dies läßt sich auch auf 2 Eigenheiten des Sächsischen Kletterns zurückführen.
1. Man wählte zum Besteigen nicht die freie Wand, wie es heute üblich ist, sondern klemmte sich in Risse und Kamine.
2. Es entwickelte sich der Grundsatz "Sicherheit ist wichtiger als Sicherung". Das heißt, es ist nicht entscheidend, wie gut ich als Kletterer in einem Weg gesichert bin, sondern ob ich mich sicher fühle - also den sportlichen Anforderungen gewachsen bin.

Beides hat auch heute noch im Sächsischen Sandstein seine Bedeutung. Vor allem in den unteren Schwierigkeitsgraden hat man es oft mit langen Riß- und Kaminsystemen zu tun, denen jegliche Sicherung fehlt (wozu auch - man kann ja nicht rausfallen). Ein alter, klassischer Weg bietet daher für heutige (Hallen-)Kletterer immer zwei Herausforderungen - zum einen die ungewohnte Klettertechnik und zum anderen die fehlende Sicherung. Aber auch schwere Wandklettereien sind für Nicht-Sachsen ungewöhnlich ungesichert.

Bereits vor 100 Jahren erkannte Rudolf Fehrmann, daß mit steigender Popularität des Klettersportes die Natur immer mehr zurück gedrängt werden würde. Um der Flora und Fauna genug Raum zu lassen, wurde beschlossen, nur freistehende Felsen für den Bergsport zu nutzen. Das führt zwar dazu, daß der überwiegende Teil der Felsfläche der Sächsischen Schweiz nicht beklettert werden darf, aber ermöglicht immer noch das Besteigen von 1100 Gipfeln. Als Freistehend definiert wird ein Fels, wenn er an der niedrigsten Stelle eine Mindesthöhe von 10m hat.
...wird fortgesetzt...